18. April 2024: Dr. Dorothea-Michaela Noé-Rumberg

Dorothea-Michaela Noé-Rumberg, Autorin von "Naturgesetze als Dichtungprinzipien"

Dr. Dorothea-Michalela Noé-Rumberg

Donnerstag, 18. April 2024

Ort: Naturkundemuseum im Ottoneum, Steinweg 2, 34117 Kassel

Zeit: 19:00 Uhr

Referentin: Dr. Dorothea-Michaela Noé-Rumberg

Thema: Naturgesetze als Dichtungsprinzipien: Eine Einführung in grundlegende Denkfiguren Goethes.

Der Eintritt ist frei.

David Lloyd Glover - Tangled English Cottage (with permission by David Lloyd Glover)
David Lloyd Glover - Tangled English Garden
(with permission of David Lloyd Glover)

Dorothea-Michaela Noé-Rumberg (Gauting):

Naturgesetze als Dichtungsprinzipien: Goethes verborgene Poetik im Spiegel seiner Dichtungen.“

Dr. Dorothea-Michaela Noé-Rumberg hat in ihrer Dissertation, „Naturgesetze als Dichtungsprinzipien: Goethes verborgene Poetik im Spiegel seiner Dichtungen“ (Freiburg: Rombach 1993) gezeigt, dass es schlicht unmöglich ist, den Dichter Goethe von dem Naturforscher Goethe zu trennen. In der sorgfältigen Betrachtung konkreter naturwissenschaftlicher und dichterischer Texte Goethes sowie in deren Zusammenschau zeigt sie auf, wie sich für Goethe sowohl in der Natur als auch in der Dichtung bestimmte Grundgesetze als tragend erweisen.

Ihre Arbeit stellt  eine  substantielle, zugleich aber sehr gut lesbare Einführung in Goethes Denken und Werk vor. Der sehr kommunikative, zu einem tieferen Verständnis von Goethes Texten „gelinde leitend[e]“ Zug von Dr. Noé-Rumbergs Arbeit ist dabei nicht durch die kluge Auswahl des Textmaterials begründet, sondern auch durch ihre Leidenschaft für die Vermittlung von Goethes Werk.

Um bekannte dichterische Texte wird es gehen – auch um lyrische Texte (Dauer im Wechsel; Metamorphose der Pflanzen) –, immer jedoch in Bezug auf Goethes Beobachtungen, Beschreibungen und (behutsamen) Schlussfolgerungen als Naturforscher. Dabei wird deutlich werden, dass viele Dichtungen nachgerade die Essenz von Goethes naturwissenschaftlichen Reflexionen darstellen.

Goethe, von Michael Jäger (2015, S. 16) unlängst in Rekurs auf Josef Pieper als der „große Schweiger“ tituliert, hat sich bekanntlich über die Deutung seiner Werke profund ausgeschwiegen. Aber auch über deren Entstehung, über die Prinzipien seines Dichtens, hat er geschwiegen: Goethe hat nie eine Poetik geschrieben.

Wenn Goethe die Entstehung seiner dichterischen Werke überhaupt „öffentlich“ reflektiert, dann nur auf Umwegen. Er betrachtet und reflektiert die Kunst, dann die Natur und schlägt viel später erst den gedanklichen Bogen zurück, wie er es – bezeichnenderweise im historischen Teil der „Farbenlehre“ erläutert:

„Aber als ich lange genug in diesen fremden Regionen [der Naturbetrachtung] verweilt hatte, fand ich den glücklichen Rückweg zur Kunst durch die physiologischen Farben und durch die sittliche und ästhetische Wirkung derselben […].“ (MA 10, S. 918). – Der Schritt zurück von der Naturbetrachtung zur (bildenden) Kunst wird angedeutet; die Bezüge zu seinen Dichtungen zu ziehen, bleibt den Leserinnen und Lesern überlassen.

Während Goethe sich über Prinzipien seines dichterischen Schaffens also ausschweigt, finden sich grundsätzliche Betrachtungen über das Verhältnis von Natur und Kunst doch in allen Phasen seines Werks. 1789 bezeichnet er die Natur als die „Grundfeste der Kunst“ (Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Styl; MA 3.2, S. 190). Schon 1770 heißt es: „Die Kunst ist nichts anders als das Licht der Natur.“ (MA 1,2, S. 523) Und noch im Spätwerk, in den Wanderjahren, wird von der „Kunst“ als „der würdigsten Auslegerin“ des offenbaren Geheimnisses der Schönheit der Natur gesprochen (MA 17, S. 459).

In der Kunst wirken für Goethe dieselben ‚Gesetzmäßigkeiten‘, die auch in der Natur wirken. Zugleich aber reflektiert Goethe Kunst auch als ein „Widerspiel“ der Natur, das aus „dem Bemühen des Individuums“ entspringt, „sich gegen die zerstörende Kraft des Ganzen zu erhalten.“ (MA 1, S. 400). Denn Goethe kennt nicht nur die „liebliche“, sondern auch die „zerstörerische“ Seite der Natur.

Allerdings soll es an diesem Abend nicht primär um naturphilosophische oder kunsttheoretische Grundfragen gehen. Vielmehr sollen ganz konkret Gesetzmäßigkeiten, die Goethe „der Natur ablauscht“ – der Gedanke der Metamorphose etwa, das Gesetz von Polarität und Steigerung, Begriffe wie Harmonie und Totalität, vielleicht auch noch – in Andeutungen – das Prinzip der wiederholten Spiegelungen – herausgearbeitet und auf dichterische Texte Goethes bezogen werden.

Der Vortrag wird also unter anderem auch ein wunderbarer Einstieg in Goethes Werk und Goethes Denken sein. Sowohl Goethe-Kenner als auch Menschen, die mit Goethes Werk erst Bekanntschaft machen wollen, werden auf ihre Kosten kommen.

Zudem sei der Hinweis erlaubt, dass das Thema des Abends gut zu unserer aktuellen Jahresgabe passt, einem Faksimile-Druck des (pseudo-Goethe’schen) Aufsatzes „Die Natur“– mit einem prägnanten, erhellenden Nachwort von Prof. Dr. Stefan Greif (Universität Kassel) und Dr. Stefan Grosche.

So ist es in mehrerer Hinsicht ein Glücksfall, dass Frau Dr. Noé-Rumberg sich aus dem Süden auf die Reise nach Kassel begeben wird.

Ottoneum
Foto: A. Savin, WikiCommons
Scroll to Top