11. Oktober 2024: PD Dr. Michael Jaeger
Goethes „Faust“ – oder: Die Erfahrung der Moderne
Freitag, 11. Oktober 2024
Ort:
Universität Kassel, Geistes- und Kulturwissenschaften
Kurt-Wolters-Str. 5, Raum 0019
Zeit: 18:00 Uhr
Referent: PD. Dr. Michael Jaeger
Thema: Goethes „Faust“ – oder: Die Erfahrung der Moderne
Der Eintritt ist frei.

Eine Analogie des modernen Wesens hat Goethe den Protagonisten der Fausttragödie genannt, an der er, mit vielen Unterbrechungen, beinahe lebenslang geschrieben hat. Dasselbe Drama, das der junge Goethe noch während der Ära des Rokoko und der Adelsherrschaft konzipiert hat und das in den Eingangsszenen einen Gelehrten im Ambiente der Renaissance zeigt, vollendet Goethe im 82. Lebensjahr unter dem Eindruck der Pariser Julirevolution von 1830. Nun ist Faust auf einer großen Damm- und Kanalbaustelle zu sehen, auf der bereits die Dampfmaschinen in Betrieb sind. Der Vortrag folgt Fausts Weg durch die Epochen der europäischen Geschichte. Dabei gewinnt im historischen Hintergrund der Tragödie jene große Transformation deutliche Konturen, die die Welt des alten Europas trennt vom modernen Industriezeitalter und noch die Gegenwart von uns Heutigen prägt.


PD Dr. Michael Jaeger ist Privatdozent für Deutsche Philologie an der Freien Universität Berlin und als Gastprofessor an deutschen und internationalen Universitäten tätig (u.a. in China an der Peking University/Beida und in den USA an der University of Notre Dame). Die moderne Ideengeschichte sowie das Thema „Goethe und die Moderne“ stehen im Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Er hat zahlreiche Goethe- und Fauststudien verfasst, darunter die beiden großen Monographien Fausts Kolonie (2004) und Wanderers Verstummen (2014) sowie die beiden Essays Global Player Faust (2008) und Salto Mortale. Goethes Flucht nach Italien (2018). Zuletzt erschien in der Reihe „C.H. Beck – Wissen“ der Band Goethes „Faust“. Das Drama der Moderne (2021).
Monographien Michael Jaegers zu Goethes "Faust"

(Walzwerk in Merthyr, Tydfil) (etwa 1817).

“Alles aber ist jetzt ultra, alles transzendiert unaufhaltsam, im Denken wie im Tun. Niemand kennt sich mehr, niemand begreift das Element, worin er schwebt und wirkt, niemand den Stoff, den er bearbeitet. […] Junge Leute werden viel zu früh
aufgeregt und dann im Zeitstrudel mit fortgerissen. Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu
verharren. […] Eigentlich ist es das Jahrhundert für die fähigen Köpfe, für leichtfassende praktische Menschen, die, mit einer gewissen Gewandtheit ausgestattet, ihre Superiorität über die Menge fühlen, wenn sie gleich selbst nicht zum Höchsten begabt sind. Laß uns so viel als möglich an der Gesinnung halten, in der wir herankamen; wir werden, mit vielleicht noch Wenigen, die Letzten sein einer Epoche, die so bald nicht wiederkehrt.”
(Goethe an Zelter, 1825)
